Am 22. Juli 2006 wurde beim Landgericht Berlin Tegel durch den Rechtsbeistand von Stefan J. Zweig, Rechtsanwalt Hans H. Hieronimi, eine Klage gegen den Rowohlt Verlag und seinen Autor Hans Joachim Schädlich wegen Veröffentlichung des diskriminierenden Buches "Anders" eingereicht. Der Wortlaut der Klage im Folgenden:
DR. PRENGEL, HIERONIMI &, COLL
Rechtsanwälte
RECHTSANWÄLTE DR. PRENGEL, HIERONIMI & COLL • ROONSTRASSE 6 • 56068 KOBLENZ
Landgericht 27. Zivilkammer
Littenstraße 12-17
10179 Berlin
Koblenz, 12.07.2006
hi/ru/ve
KLAGE
des Herrn Stefan Jerzy Zweig, A-1170 Wien Österreich
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: RAe Dr. G. Prengel, H.H. Hieronimi,
B. Krautkrämer, Roonstraße 6, 56068 Koblenz
gegen
1. Dr. Hans-Joachim Schädlich, 10707 Berlin-Wilmersdorf
2. Rowohlt-Verlag GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Alexander
Fest, Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek
- Beklagte zu 1) u. 2) -
Prozessbevollmächtigte: RAe Groth, Dr. Diedrich, Neuer Wall
72, 20354 Hamburg
wegen: urheberrechtlicher und presserechtlicher Unterlassung und immateriellen
Schadensersatzes
vorläufiger Streitwert: ----,-- EUR
Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und werde beantragen:
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1. beim Vertrieb des Buches "Anders" (ISBN 3498063545) die in
der Anlage l zu diesem Schriftsatz markierten Passagen (lfde. Nr. l bis
27) zu unterlassen;
2. die auf Seite 92 unten des vorgenannten Romans wiedergegebene Behaup-tung
zu unterlassen: "Wahrscheinlich kann Jerzy Zweig seine wahre Ge-schichte
nicht gelten lassen: dass er lebt, weil statt seiner der Zigeunerjunge Willi
Blum ins Gas geschickt wurde";
3. dem Kläger zu Händen des Unterzeichners darüber Auskunft
zu erteilen, wie viele Exemplare des vorgenannten Romans zu welchem Preis
seit seinem Er-scheinen ausgeliefert worden sind, wobei sich die Auskunftsverpflichtung
auch auf die an den Beklagten zu 1) gezahlten Honorare zu erstrecken hat,
sowie an den Kläger eine nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmende
Nut-zungsentschädigung zu zahlen nebst gesetzlichen Zinsen seit dem
30.10.2005;
4. an den Kläger zum Ausgleich des durch die Verbreitung des in Ziff.
1) genann-ten Buches entstandenen immateriellen Schadens einen Betrag zu
zahlen, dessen Höhe nicht unter ----,- EUR liegen soll und welcher
im übrigen in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem
30.10.2005.
Gründe:
I.
Gegenstand der Klage sind urheberrechtliche und presserechtliche Unterlassungs-
und Schadensersatzansprüche des Klägers gegen Hans-Joachim Schädlich
als Au-tor des Romans "Anders" und gegen die Rowohlt-Verlag GmbH
und ihren Geschäfts-führer.
Durch die Veröffentlichung des Buches sind die Urheberrechte und insbesondere
das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt worden. Hierfür
haften der Verlag und der Autor als Gesamtschuldner.
II.
Zur Person des Klägers:
Die jüdische Familie des Krakauer Rechtsanwaltes Dr. Zacharias Zweig
war seit 1941 nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt.
Kurz nach der Ge-burt des Klägers im Jahre 1941 wurde Dr. Zweig gezwungen,
Krakau zusammen mit der Familie, seiner Frau Helena, seiner 9-jährigen
Tochter Sylwja und seinem einen Monat alten Sohn, dem Kläger zu verlassen.
Zunächst hielt sich die Familie im Kra-kauer Ghetto auf. Von dort wurde
sie in das Konzentrationslager Biezanow transpor-tiert. Nach dessen Liquidierung
gelangte die Familie in das Konzentrationslager Skarzysko-Kamienna. Dort
wurde die Familie getrennt. Dr. Zweig wurde zusammen mit dem Kläger
in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Die Mutter und die Schwester
des Klägers wurden in das KZ Auschwitz deportiert, wo sie in der Gas-kammer
ermordet worden sind. Der Kläger konnte dank der außerordentlichen
Für-sorge seines Vaters und der Mithilfe politischer Häftlinge,
allen voran Willi Bleicher und Robert Siewert, in Buchenwald überleben.
Nach der Befreiung des KZ Buchen-wald am 11. April 1944 ging Dr. Zweig mit
seinem Sohn zunächst nach Krakau zu-rück, weiter nach Frankreich
und 1949 schließlich nach Israel.
In der DDR war 1958 der Roman von Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen"
erschienen, welcher das Schicksal und die Rettung des Klägers im KZ
Buchenwald mit einigen romanhaften Veränderungen dargestellt hat. Das
Buch erfuhr in der DDR eine Millio-nenauflage, es ist in mehr als zwei Dutzend
Sprachen übersetzt worden. Der Roman ist außerdem als Kinderbuch
veröffentlicht und unter dem gleichen Titel in der DDR verfilmt worden.
Der Kläger hat von der Existenz des Romans und seiner Verfilmung erst
im Jahre 1964 Kenntnis erlangt, nachdem DDR-Journalisten ihn als "Kind
von Buchenwald" ausfindig gemacht und in die DDR eingeladen hatten.
In der DDR hat der Kläger eine Ausbildung zum Kameramann erfahren und
diesen Beruf beim DDR-Fernsehen drei Jahre lang ausgeübt. 1972 hat
der Kläger die DDR verlassen, ist mit Ehefrau und dem ersten Sohn nach
Wien verzogen und hat dort eine Stelle als Kameramann beim ORF angetreten.
Im Jahre 1961 hatte der Vater des Klägers Dr. Zacharias Zweig für
die Dokumentati-onsstelle des Staates Israel "Yad Vashem" eine
schriftliche Zeugenaussage betr. sein Verfolgungsschicksal verfasst. Herr
Dr. Zweig hatte kurz vor seinem Tod im Jah-re 1972 den Kläger gebeten,
diese Niederschrift der Öffentlichkeit zugänglich zu ma-chen.
Das ist im Jahre 1987 durch das vom Kläger herausgegebene Buch mit
dem Titel "Mein Vater, was machst Du hier „ Zwischen Buchenwald
und Auschwitz; der Bericht des Zacharias Zweig“ (Dipa-Verlag GmbH,
Frankfurt) geschehen.
Nach der Befreiung aus dem KZ Buchenwald war der Kläger lange Zeit
krank und musste jahrelang in Sanatorien und in Krankenhäusern behandelt
werden.
Im Entschädigungsverfahren nach dem BEG sind nach einer umfassenden
medizini-schen Begutachtung beim Kläger folgende Leiden als verfolgungsbedingt
anerkannt worden:
1. Erlebnisreaktive verfolgungsbedingte Störung …..
2. Fibröse stationäre Lungentuberkulose …….
3. Wegen dieser Leiden und insbesondere wegen der außerdem als verfol-gungsbedingt
anerkannten Psoriasis hat der Kläger vorzeitig seine Berufstä-tigkeit
als Kameramann beim österreichischen Fernsehen aufgeben müssen.
III.
Zum Roman "Anders";
Im September 2003 erschien der Roman "Anders". Im so genannten
Klappentext dieses Romans heißt es:
"Anders" ist, nach vier Jahren, der neue Roman von Hans-Joachim
Schädlich. Es geht darin um die Identität des Individuums; ein
besonderes Interesse des Autors gilt Menschen, die beim Wechsel politischer
Herrschaftssysteme einen bewußten "Rol-lentausch" vollziehen.
Zwei pensionierte Meteorologen fordern sich gegenseitig heraus, "Fälle"
zu recher-chieren, einander Geschichten zu erzählen über Menschen,
die sich anders darstel-len, als sie sind, die hinter Masken leben. Oder
über solche, die wirklich anders wer-den, die einen echten inneren
Wandel vollzogen haben. Und über Menschen, die nur "anders"
sind, als die "normale" Umgebung. Ihrer beider Freundin steht
dem Unter-nehmen mit zwiespältigen Gefühlen gegenüber.
Dabei begegnen wir u. a. Konstantin von Tischendorf, dem Entdecker des Codex
Sinaiticus, und Bogo, der als Professor nicht genug verdient und deshalb
Putzmann wird. Oder Stefan Jerzy Zweig, dem Jungen, der als ein Musterbeispiel
für den fle-ckenfreien DDR-Antifaschismus galt, seit Bruno Apitz "Nackt
unter Wölfen" geschrie-ben und Frank Beyer das Buch für die
DEFA verfilmt hat - das Ende einer Legende. Ein weiterer wichtiger Fall:
die Laufbahn des Hans-Ernst Schneider alias Hans Schwerte unter den deutschen
Germanisten vor und nach 1945 unter Mitwirkung des SS- und SD-Mannes Rössner,
der es später bis zum Lektor Hannah Arendts brachte. Für das Satyrspiel
sorgt Dschidschi ...".
Mit dem "Fall" des Klägers befasst sich der Roman "Anders"
auf den Seiten 45, 46, 53-79, 84-93.
Nachdem es auf Seite 45, 46 zunächst heißt, dass die Geschichte
des Romans von Bruno Apitz nicht stimme, weil der kleine Junge in Buchenwald
seine Rettung nicht dem Versteck im Lager verdanke und weil nicht die Kommunisten,
sondern die ame-rikanischen Truppen das Lager befreit hätten, wird
ab Seite 53 bis Seite 79 der Be-richt des Dr. Zacharias Zweig teilweise
wörtlich ohne Fundstellenangabe wiederge-geben, soweit er die Einlieferung
des Jungen in das Lager, seine Rettung vor dem Transport nach Auschwitz
und die Befreiung durch die Amerikaner betrifft. Auf Seite 81 heißt
es, dass die ostdeutschen Kommunisten Buchenwald dazu benutzt hätten,
sich " eine fleckenfreie antifaschistische Heldenlegende zu stricken".
Auf die Frage der Romanperson "Awa", was das mit Jerzy Zweig zu
tun habe, ver-weist der Ich-Erzähler auf einen Leserbrief des Klägers,
welcher im April 2000 in der Zeitung "Neues Deutschland" veröffentlicht
worden ist. Der Kläger, der sich selbst an gar nichts erinnere, rede
in diesem Brief "immer noch von der Selbstbefreiung des Lagers",
er "bezichtige" den neuen Direktor der Gedenkstätte, der
vehement gegen den Ort "unserer Erinnerung" auftrete und beklage,
dass an der Effektenkammer die dort seit über 40 Jahren angebrachte
Hinweistafel entfernt worden sei. Dann wird der Text der neu angebrachten
Tafel zitiert und von der Romanperson "Awa" in wörtli-cher
Rede das Fazit gezogen:
"Wahrscheinlich kann Jerzy Zweig seine wahre Geschichte nicht gelten
lassen: Dass er lebt, weil statt seiner der Zigeunerjunge Willi Blum ins
Gas geschickt wurde".
Daran schließt sich die Erklärung des Ich-Erzählers an:
"Die ostdeutschen Kommunisten haben Jerzy Zweig seine wahre Ge-schichte
gestohlen. Der Opfertausch bot ihnen die Story, aus der sie ih-ren Mythos
gebastelt haben".
Auf Seite 88/89 des Romans "Anders" wird die Frage gestellt (und
als "wahrschein-lich" verneint) , ob der Kläger, als ihm
im Jahre 1964 erstmals der nach dem Buch von Apitz gedrehte Film vorgeführt
worden ist, die Schilderung seines Vaters kannte, welche dieser 1961 für
die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verfasst habe.
Auf Seite 90 heißt es, dass der Bericht des Dr. Zacharias Zweig auf
dessen Wunsch vom Kläger im Jahr 1987 "in einem kleinen Verlag
in Frankfurt am Main, unter dem Titel "Mein Vater: Was machst Du hier
...?: Zwischen Buchenwald und Auschwitz. Der Bericht des Zacharias Zweig"
veröffentlicht wurde.
Auf der letzten Seite des Romans heißt es unter "Quellen":
"Als Quellen haben mir u. a. gedient Arbeiten von . (es folgen 39 Namen
und zuletzt) Zacharias Zweig".
IV.
Zur Urheberrechtsverletzung:
Der Beklagte zu 1) hat in seinem Roman "Anders" weite Teile des
vom Kläger veröf-fentlichten Buches übernommen und teilweise
wörtlich abgeschrieben. Im wesentli-chen hat er den Bericht des Dr.
Zweig gekürzt. Soweit dort "wörtliche Rede" wieder-gegeben
ist, ist dies im Roman unverändert übernommen worden.
Die Zitate sind in keinem Fall kenntlich gemacht.
Eine Zustimmung zur Nachveröffentlichung haben die Beklagten beim Kläger
nicht eingeholt. Der Kläger hätte einem Abdruck nicht zugestimmt,
auch nicht in der vorlie-genden Zitatweise.
Als Anlage wird das Buch "Mein Vater, was machst Du hier ...?"
(Anlage 2) sowie der Roman "Anders" (Anlage 3) beigefügt.
Ein Vergleich der vom Beklagten zu 1) übernommenen Passagen mit dem
Text der Vorlage ergibt, dass die vom Beklagten zu 1) vorgenommene Bearbeitung
gem. § 23 Urhebergesetz der Einwilligung des Klägers bedurft hätte.
Im Roman "Anders" werden insbesondere die Ereignisse im Zusammenhang
mit der Einlieferung des Klägers in das Lager Buchenwald, einer Erkrankung
des Klägers, der Verhinderung des Transports nach Auschwitz und der
Befreiung des Lagers ge-schildert.
Als Anlage 4 bzw. Anlage l wird eine Synopse vorgelegt, welche die Darstellung
im Roman mit derjenigen im Bericht des Dr. Zweig gegenüberstellt. In
Anlage l sind die betreffenden Passagen im Roman "Anders" unter
Ziff.1 bis 27 markiert. In der Anlage 4 (der Bericht des Dr. Zacharias Zweig)
sind die entsprechenden Passagen
ebenfalls als lfde. Nr. l bis 27 kenntlich gemacht. Hierauf wird zur weiteren
Sachdar-stellung Bezug genommen.
Der Vergleich der Romandarstellung mit derjenigen des Berichts zeigt deutlich,
dass der tatsächliche Geschehensablauf und die Chronologie der Ereignisse
im wesentli-chen übereinstimmt. Der Roman folgt auch der nüchternen
und fast emotionslosen Sprache des Berichts.
Bemerkenswert ist, dass der Leser des Romans mit keinem Wort darüber
informiert wird, dass der Ich-Erzähler des Romans den Text des Berichts
überwiegend unver-ändert übernommen hat. Die Zitate sind,
wie bereits erwähnt, nicht kenntlich ge-macht. Die Erwähnung des
Namens Zacharias Zweig unter "Quellen" ist unzurei-chend. Denn
hieraus wird dem Leser nicht vermittelt, dass wesentliche Passagen des Romans
keine eigene geistige Leistung des Autors darstellen. Das gleiche gilt für
den Hinweis auf die Vorveröffentlichung. Auch hier wird dem Leser,
auf dessen Ein-druck es allein ankommt, verschwiegen, dass im Roman "Anders"
wesentliche Pas-sagen des Berichts des Dr. Zweig übernommen worden
sind.
Wegen des Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz stehen dem Kläger
Unterlas-sungs- und Auskunftsansprüche zu, die mit dem Klageantrag
zu 1) und 3) geltend gemacht werden.
Der Beklagte zu 1) hat dadurch, dass er ohne Zustimmung des Klägers
wesentliche Passagen des von diesem veröffentlichten Bericht in seinem
Roman übernommen hat, ohne dies in der gebotenen Weise kenntlich zu
machen, gegen die ihm oblie-genden schriftstellerischen und journalistischen
Sorgfaltspflichten verstoßen.
V.
Zur Persönlichkeitsverletzung;
Folgt man den programmatischen Ausführungen im sogenannten Klappentext
des Romanes, soll der Kläger in mehrfacher Weise den Fall eines Rollentausches
oder eines Lebens hinter einer Maske dokumentieren:
Der Apitz-Roman ist "anders" als die im Bericht des Dr. Zacharias
Zweig geschilderte Realität. Die ostdeutschen Kommunisten haben Buchenwald
dazu benutzt, sich der Wahrheit zuwider eine antifaschistische Heldenlegende
zu stricken. Der Kläger soll noch im Jahre 2000 seine wahre Geschichte
nicht gelten lassen.
1.
Die Charakterisierung einer Person als einen Menschen, der nach einem Wechsel
politischer Herrschaftssysteme einen bewußten Rollentausch vollzieht
und hinter ei-ner Maske lebt, ist nach allgemeinen Verständnis abwertend
und herabsetzend. Sol-che Menschen sind unehrlich, sie täuschen ihre
Mitmenschen über ihre wahre Identi-tät, Gesinnung oder Geschichte.
Sie haben einen schlechten Charakter. Sie hängen ihren Mantel nach
dem Wind oder sind als "Wendehälse" oder als Hochstapler
zu bezeichnen. Ihr Anderssein stellt sich als Makel und negative Eigenschaft
dar.
All dies ist offenkundig und wird nur vorsorglich unter Beweis gestellt
durch Sachver-ständigengutachten.
Gegenstand des Romans "Anders" sind ausschließlich Menschen mit diesen negati-ven Eigenschaften. Ein - denkbarer - Fall der positiven Andersartigkeit wird nicht er-wähnt.
2.
Der Kläger ist tief betroffen und empört darüber, dass ausgerechnet
seine Person in dem Roman als Fall eines Rollen-Tauschs und eines entlarvten
Maskenträgers cha-rakterisiert wird. Der Kläger wird durch die
Art und Weise der Darstellung in dem Roman diffamiert und in seiner Ehre
verletzt.
a)
Strafrechtlich liegt der Fall der üblen Nachrede gem. § 186 StGB
vor mit der zivil-rechtlichen Folge, dass die Beklagten die Richtigkeit
der vorgenannten Behauptun-gen beweisen müssen.
Der Kläger ist davon überzeugt, dass er als Verfolgter und Opfer
des verbrecheri-schen Nazi-Regimes den Beklagten keine Rechenschaft über
sein Verfolgungs-schicksal schuldet. Der Kläger fühlt sich jedoch
von der Darstellung im Roman "An-ders" persönlich angegriffen.
Deshalb begnügt sich der Kläger nicht damit, die Rich-tigkeit
der Behauptung der Beklagten, er, der Kläger, lasse seine wahre Geschichte
nicht gelten, zu bestreiten. Durch die nachfolgenden Ausführungen wird
der Kläger vielmehr in aller Eindeutigkeit darlegen und beweisen, dass
die Behauptung der Be-klagten, er, der Kläger lasse seine eigene Geschichte
nicht gelten, nicht nur falsch, sondern darüber hinaus gehässig
und verleumderisch ist.
Denn es ist eine Tatsache, dass das schreckliche und tragische Verfolgungsschick-sal
den Kläger ein Leben lang begleitet hat. Dieses Schicksal hat den Kläger
krank gemacht. Das ist nach einer umfassenden medizinischen Begutachtung
des Klägers im BEG-Verfahren festgestellt worden. Der Kläger würde
diese schrecklichen Ge-schehnisse nur zu gerne vergessen und nicht gelten
lassen. Er kann dies aber nicht. Er hat zwar an die Ereignisse in der KZ-Zeit
nur eine schemenhafte Erinnerung. Un-auslöschlich im Gedächtnis
des Klägers erhalten sind jedoch die Erinnerungen an die in der KZ-Zeit
erlebten Ängste, welche das Leben des Klägers seitdem begleiten
und quälen.
Die Beklagten betreiben mit ihrer Behauptung, der Kläger lasse sein
Verfolgsschick-sal nicht gelten, ganz bewusst eine Sachverhaltsverfälschung.
Der Kläger selbst war es doch, welcher schon im Jahre 1987 durch die
Veröffentlichung des Berichtes sei-nes Vaters aus dem Jahre 1961 eindrucksvoll
dokumentiert hat, dass ihm alles daran liegt, sein eigenes Schicksal wahrheitsgemäß
aufzuklären und hierüber die Öffent-lichkeit zu informieren.
Die Behauptung der Beklagten, der Kläger lasse seine Ge-schichte nicht
gelten, wird durch die Veröffentlichung dieses Berichtes eindrucksvoll
widerlegt.
Die Beklagten stellen die Dinge auf den Kopf, wenn sie auf der einen Seite
behaup-ten, der Kläger lasse seine Geschichte nicht gelten, auf der
anderen jedoch aus der „Nachveröffentichung“ dieses Berichtes
in dem Roman "Anders" Kapital schlagen wollen.
Hinzu kommt folgendes: Der Kläger hat auch in der Zeit nach der Veröffentlichung
des Berichtes seines Vaters jede sich ihm bietende Gelegenheit dazu benutzt,
die Öffentlichkeit über sein Verfolgungsschicksal zu informieren.
Das gilt insbesondere und gerade auch für diejenigen Umstände,
von welchen die Beklagten meinen, diese als vermeintliche Sensation "enthüllen"
und vermarkten zu müssen, nämlich die Er-eignisse im Zusammenhang
mit der Transportliste vom 25/26.09.1944. Diese Um-stände waren schon
im Detail in dem im Jahre 1991 erschienen Buch "Wir brauchen kein Denkmal"
von Hermann G. Abmayr dargestellt gewesen. Gegenstand dieses Buches ist
die Biographie über Willi Bleicher, des späteren Bezirksleiter
der IG Metall in Stuttgart, (vgl. hierzu Seite 86 des Romans "Anders").
Besondere Publizität erfuhr diese Transportliste dadurch, dass sie
von dem neuen Leiter der Gedenkstätte Buchenwald in dieser Anfang der
90. Jahre ausgestellt worden ist. Hierüber wurde wiederholt —
vor allem in Zeitungen in den neuen Bun-desländern — berichtet.
Der Kläger wurde mehrfach interviewt. Das Fernsehen des MDR plante
eine umfang-reiche Dokumentation auf der Grundlage des Berichtes des Dr.
Zacharias. In diesem Film sollten unter anderem auch die Umstände im
Zusammenhang mit der Transport-liste dargestellt werden.
Beweis: Zeugnis des zuständigen Redakteurs beim MDR-Fernsehen, Studio
Erfurt.
Die Realisierung dieses Filrnprojekts scheiterte indes.
Im Jahre 1999 (und zwar am 11.11., dem Jahrestag der "Reichskristallnacht")
fand im Volkstheater in Wien eine Veranstaltung statt, an welcher die jüngsten
noch le-benden ehemaligen Häftlinge des KZ-Buchenwalds über ihr
Verfolgungsschicksal vor vielen 100 Zuhörern berichteten. Einer dieser
Häftlinge war der Kläger, der ausführ-lich auch die Ereignisse
anlässlich der Transportliste geschildert hat. Ein weiterer Teilnehmer
war Karl Stojka, dessen Namen ebenfalls auf der Liste erscheint und dort
durchgestrichen ist. Als Ersatz ist der Name Schubert, W. aufgeführt.
Stojka, der im Jahre 2003 in Wien verstorben ist, wusste anscheinend hiervon
nichts. Jedenfalls werden diese Umstände in seinem Buch "Auf der
ganzen Welt zuhause" nicht er-wähnt.
Im Jahre 2000 trat der SPIEGEL - Redakteur Dr. Hans Michael Klodt an den
Kläger mit der Bitte um ein Interview heran. Dr. Klodt reiste eigens
nach Wien zum Kläger und nahm zwei Tage lang ein umfangreiches Interview
auf Tonband auf, in welchem der Kläger ausführlich zu der von
Dr. Knigge in der Gedenkausstellung gezeigten Transportliste Stellung genommen
hat. Das Interview ist jedoch nicht erschienen.
Beweis; Zeugnis des Spiegel-Redakteurs Dr. Hans Michael Kloth.
Damit noch nicht genug:
Der Kläger, der nach der Darstellung der Beklagten seine eigene Geschichte
nicht wahrhaben will, hat das von ihm erlebte Verfolgungsschicksal zum Gegenstand
eines weiteren Buches gemacht, welches in diesem Jahr unter dem Titel "Tränen
allein genügen nicht" im Eigenverlag erschienen ist. In diesem
Buch ist erneut der Bericht des Dr. Zacharias Zweig veröffentlicht.
Dieser Bericht ist durch zahlreiche Fotos und andere Dokumente ergänzt.
An den Bericht schließt sich ein vom Kläger selbst ver-fasster
"Epilog" an, in welchem sich der Kläger ausführlich
auch mit den Ereignissen der Veröffentlichung der Transportliste vom
25. September 1944 durch Herrn Dr. Knigge und auch mit dem vorliegenden
Roman "Anders" auseinandersetzt. Die Trä-gerin des Nobelpreises
für Literatur Elfriede Jelinek hat zum Buch des Klägers ein eindrucksvolles
und lesenswertes Nachwort verfasst.
Der Kläger hatte mit dem Buchprojekt schon viele Jahre vor Erscheinen
des Romans "Anders" begonnen. Nach dem Erscheinen des Romans "Anders"
hat der Kläger in seinem Buch auch zu diesem Roman Stellung genommen.
All diese Umstände müssen dem Beklagten zu 1) vor dem Verfassen
seines Romans aufgrund der von ihm durchgeführten Recherchen bekannt
gewesen sein. Warum er diese Umstände verschweigt, ist nicht nachvollziehbar.
Der Beklagte zu 1) begnügt sich vielmehr allein damit, zum Nachweis
der angebli-chen "Andersartigkeit" des Klägers einen Leserbrief
des Klägers zu zitieren, welcher in der Zeitung "Neues Deutschland"
vom 19. April 2000 veröffentlicht worden ist. Der Leserbrief ist auf
Seite 92 des Romans jedoch nur unvollständig und sinnentstellend wiedergegeben.
Eine Kopie des vollständigen Leserbriefs wird als Anlage 5 beigefügt.
Weshalb dieser Brief die Schlussfolgerung rechtfertigen soll, der Kläger
lasse seine wahre Geschichte in Bezug auf den "Opfertausch" nicht
gelten, ist nicht nachvoll-ziehbar. Der vom Beklagten zu 1) so genannte
"Opfertausch" ist überhaupt nicht Ge-genstand dieses Briefes
(!) .
Gegenstand des Briefes ist allein die Kritik des Klägers gegenüber
dem neuen Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Herrn Dr. Knigge. Kritisiert
wird in dem Brief, dass dieser neue Leiter es für richtig gehalten
hat, seine eigene Person an die Spitze des Gedenkzuges zu stellen, welcher
ehemalige Häftlinge des Lagers Buchenwald am Jahrestag der Befreiung
im Lager veranstaltet haben. Diese Kritik ist objektiv berech-tigt. Das
Verhalten des Dr. Knigge ist auch von vielen anderen ehemaligen Mithäft-lingen
als empörend empfunden worden.
Außerdem beklagt sich der Kläger in dem Brief darüber, dass
die Gedenktafel an der Effektenkammer im Lager, auf welcher er früher
namentlich erwähnt gewesen ist, abgerissen worden war. Auch hierüber
waren nicht nur der Kläger, sondern auch vie-le Mithäftlinge empört.
Denn die Namenslöschung gehört zu dem Schlimmsten, was einem Juden
widerfahren kann, weil es der Löschung seines Lebens gleichkommt.
Die Tatsache, dass der Kläger in diesem Schreiben das Wort "Selbstbefreiung"
ge-braucht hat, ist ebenfalls völlig unverfänglich. Denn es ist
eine Tatsache, dass die Häftlinge in Buchenwald bereits frei waren,
bevor die Amerikaner kamen. Das ist im Bericht des Dr. Zacharias Zweig (Seite
90/ 91) zutreffend dargestellt worden und vom Beklagten zu 1) auf Seite
79 seines Romans - wieder einmal ohne Fundstellen-angabe - übernommen
worden. Im übrigen ist die Frage, ob eine Selbstbefreiung stattgefunden
hat und was darunter zu verstehen ist, nicht Gegenstand des Leser-briefes.
Keineswegs kann dem Kläger vorgeworfen werden, er stelle sich dadurch
anders dar, dass er vom KZ Buchenwald als den Ort "unserer Erinnerung"
spricht. Selbst-verständlich ist der Kläger zusammen mit den anderen,
noch lebenden Häftlingen diesem Ort durch eine gemeinsame Erinnerung
verbunden. Auf die Intensität der Er-innerung kommt es in diesem Zusammenhang
nicht an. Selbstverständlich kann sich der Kläger an Einzelheiten
nicht erinnern, weil er damals ein vierjähriges Kind gewe-sen ist.
Die Erinnerung an Buchenwald als Ort des Grauens und der Angst ist beim
Kläger jedoch unauslöschlich verblieben.
Im übrigen ist zu dem Leserbrief noch anzumerken, dass es sich bei
der in der Zei-tung "Neues Deutschland" veröffentlichten
Fassung um eine redaktionelle Bearbei-tung handelt, die vom Kläger
nicht autorisiert worden ist. Das Original dieses Briefes hat der Kläger
nicht aufbewahrt. Der Kläger erinnert sich jedoch genau, dass die ver-öffentlichte
Fassung sich vom Original wesentlich unterscheidet.
Beweis: Zeugnis des zuständigen Redakteurs der Zeitung "Neues
Deutschland".
Die Übereinstimmung des im Roman zitierten Textes mit dem Original
wird daher bestritten. Insbesondere erinnert sich der Kläger nicht
daran, das Wort " Selbstbe-freiung" in der vorliegenden Weise
gebraucht zu haben.
b)
Es wird nicht übersehen, dass der Ich-Autor des Romans sich ersichtlich
der Schwä-che seiner Argumente bewußt gewesen ist und deswegen
seine Feststellung, der Kläger könne seine wahre Geschichte nicht
gelten lassen, durch das Wort "wahr-scheinlich" eingeschränkt
hat. Möglicherweise ist dies erst auf Veranlassung des Lektorats oder
der Rechtsabteilung der Beklagten zu 2) geschehen, um eine juris-tisch angreifbare
Tatsachenfeststellung als Meinungsäußerung zu verkleiden.
Entscheidend ist aber, ob auch der Leser des Romans diese Feststellung lediglich
als Vermutung des Ich-Autors zur Kenntnis nimmt oder nicht. Auch der kritische
Le-ser wird sich indessen der raffinierten "Beweisführung"
des Ich-Erzählers nicht ent-ziehen können, der unter Bezugnahme
auf den Leserbrief und den Austausch des Hinweisschildes zu dem Fazit gelangt,
der Kläger lasse die historische Wahrheit nicht gelten, obwohl sie
ihm bekannt ist.
Nicht nur die Leser, sondern sogar die meisten Rezensenten des Romans haben
die den Kläger betreffenden Passagen genau so verstanden wie der Kläger
selbst, näm-lich nicht als bloße Vermutung oder Meinungsäußerung,
sondern vielmehr als die Behauptung einer feststehenden und erwiesenen Tatsache:
So schreibt z.B. Andreas Platthau in der FAZ unter dem Untertitel "Geschönte
Le-bensläufe" unter namentlicher Bezugnahme auf den Kläger:
"... das Pikante ist, dass er sich dann, obwohl sein Vater die wahren
Geschehnisse berichtet hatte, die falsche Version zu eigen machte ...".
Ulrich Weinzirl meint in "Die Welt" vom 09.04.2005:
"... die Preisfrage lautet nun: wer trägt Schuld am Tod des Zigeuner
jungen? Der vierjährige Stefan Jerzy Zweig, wie im Buch implizit ange-deutet
und von fast sämtlichen Rezensenten des Bandes bekräftigt wird?
...".
In einer im Deutschlandfunk am 12.11.2003 gesendeten Buchbesprechung von
Heinz-Ludwig Arnold unter dem Titel "Abgründe" wird der Kläger
namentlich erwähnt, sodann heißt es:
"... und mit einem Jungen, der zum Maskottchen einer verlogenen Glo-riole
wurde und der, nachdem er später als Kameramann in der DDR lebte, nicht
an die eigene Geschichte, sondern an die verlogene Legen-de glaubte, auch
noch als es die DDR nicht mehr gab ...".
Helmut Böttiger schreibt in der "Zeit" vom 09.10.2003:
"... eine makabere Pointe kommt noch nach: DDR-Journalisten nahmen
Anfang der 60er Jahre Kontakt zu Jerzy Zweig auf, und dieser, ohne Kenntnis
des Berichts seines Vaters, glaubt der offiziellen DDR-Version sofort. Dass
statt seiner der Zigeunerjunge Willi Blum ins Gas geschickt wurde, wollte
er wohl nicht gelten lassen: Bruno Apitz Roman hat Jerzy Zweig seine Geschichte
gestohlen".
Jenny Clemens schreibt in "literaturkritik.de." vom 12.12.2003:
"Selbst Zweig glaubte an die Legende von sich als "Buchenwald-Kind"."
Matthias Schreiber schreibt im "SPIEGEL" unter der Überschrift
"Deutsche Masken":
"Mehr oder weniger prominente Menschen aus Deutschland, die es auf
diese vertrackte Weise den Lurchen und Kriechtieren gleichtaten, sind das
Personal in Hans-Joachim Schädlichs neuem Roman "Anders"
und erwähnt namentlich Stefan Jerzy Zweig.
Die vollständigen Rezensionen sind als Anlage 6 beigefügt.
Dass sogar Kritiker und Rezensenten die Darstellung des Klägers in
dem Roman "Anders" in gleicher Weise verstehen wie dieser selbst,
beruht sicherlich nicht auf Zufall, sondern beweist, dass auch diese Opfer
der raffinier-wahrheitswidrigen Dar-stellung des Autors geworden sind. Ganz
offensichtlich hat der Beklagte zu 1) , bei dem es sich um einen routinierten
Romancier handelt, entweder diese Täuschung beabsichtigt und erreicht
oder zumindest billigend in Kauf genommen.
Der Leser versteht die in eine Vermutung gekleidete Tatsachenbehauptung
als Re-sümee und Fazit des Berichts über den Kläger im Roman:
Der Autor und Ich-Erzähler fasst seine Recherchen in Bezug auf die
Person des Klägers dahingehend zusammen, dass dieser seine eigene Geschichte
verleugnet.
3.
Die Schwere der Persönlichkeitsverletzung ergibt sich auch daraus,
dass der "Fall" des Klägers als Opfer der Nazi-Verfolgung
gleichgesetzt wird mit der Darstellung von Fällen, welche Nazi-Verbrecher
und Nazi-Täter betreffen. Als jüdischer Verfolgter wird der Kläger
mit widerlichen Nazi-Schergen in einen Topf geworfen. Dies gilt nicht nur
für den im Roman dargestellten Fall der Laufbahn des Hans Schwerte,
sondern auch für die Darstellung der Fälle Gerdemer, Junker, Thiessen,
Hartke, Klare, Melz-heimer, Kerteßjaer u.a., vgl. Seite 177 ff. Der
vom Autor in Bezug auf den Kläger ge-wählte Begriff des "Opfertauschs"
(Seite 93) enthält hierdurch eine Doppelbedeu-tung, welche der Kläger
als rassistisch und antisemitisch verstehen muss.
Man muss in diesem Zusammenhang sehen, dass die Beleidigung ein Naziopfer
und einen Naziverfolgten trifft, der noch heute ganz erheblich unter den
Folgen der schrecklichen Erlebnisse leidet, welche er zunächst im Ghetto
Krakau, dann in den Konzentrationslagern Biezanow, Plaszow, Skarzysko-Kamienna
und schließlich in Buchenwald durchlitten hat.
Da der Roman auf umfangreichen Recherchen des Autors bzw. Ich-Erzählers
beruht, darf unterstellt werden, dass diese Lebensumstände dem Autor
und Verlag bekannt gewesen sind.
Die Person des Klägers wird dermaßen mit dem tragischen Geschehen
in Buchen-wald verknüpft, dass sich der Kläger dem Vorwurf ausgesetzt
sieht, den Tod eines Menschen, nämlich des Willi Blum verursacht zu
haben, obwohl der Kläger damals noch nicht einmal 4 Jahre alt und selbst
Opfer der Nazi-Verfolgung gewesen ist.
4.
Hinzu kommt, dass der Kläger in dem Roman als einzige Person namentlich
genannt ist. Zwar werden in dem Roman auch andere Fälle namentlich
erwähnt. Diese Na-mensträger sind jedoch verstorben. Der Kläger
ist der einzige lebende Zeitgenosse, dessen Namen erwähnt wird. Außerdem
wird sogar offengelegt, dass er in Österreich lebt (Seite 90).
Die Namensnennung und Adressenangabe ist ersichtlich nur erfolgt, um den
Kläger an den Pranger stellen zu können.
5.
Die Persönlichkeitsverletzung ist sowohl vom Verlag als auch vom Autor
in schuld-hafter Weise zu vertreten. Es liegt bedingter Vorsatz oder grobe
Fahrlässigkeit vor, in jedem Fall eine schwere Persönlichkeitsverletzung:
Das schwere Verschulden besteht darin, dass ein angesehener Autor wie Hans-Joachim
Schädlich und ein ebenso angesehener Verlag wie der Rowohlt-Verlag
durch die Veröffentlichung des Buches in grober Weise gegen die ihnen
obliegenden journalistischen Sorgfaltspflichten verstoßen haben.
Sie haben es nicht nur unterlassen, die Zustimmung des Klägers zum
Nachdruck des von diesem veröffentlichten Berichts seines Vaters einzuholen.
Darüber hinaus haben sie es unterlassen, dem Kläger vor der Veröffentlichung
des Buches "rechtli-ches und tatsächliches Gehör" zu
gewähren.
Wäre der Kläger pflichtgemäß vor der Veröffentlichung
angehört worden, hätte er dieser nicht zugestimmt. Insbesondere
hätte er Gelegenheit gehabt, dem Autor un-missverständlich darzulegen,
dass dessen These, er, der Kläger, lasse seine wahre Geschichte nicht
gelten, frei erfunden und falsch ist.
Der Beklagte zu 1) hat offensichtlich den Kläger nur deswegen nicht
vor der Veröf-fentlichung befragt, weil er damit rechnete, dass er
Antworten erhalten werde, welche nicht in das Konzept seines Romans passten.
Der Beklagte zu 1) wollte sich Hand-lungsfreiheit bewahren, um den Kläger
als "Fall" brandmarken zu können.
Die Beklagten müssen sich fragen lassen, weshalb sie noch nicht einmal
den Ver-such unternommen haben, "vor der Veröffentlichung des
Romans "Anders" zum Klä-ger Kontakt aufzunehmen. Die Beklagten
kannten doch seine Adresse in Wien und seine Telefonnummer. Zumindest hätten
sie diese Daten z.B. von Herrn Dr. Knigge und anderen Personen, die im Roman
als "Quellen" angegeben sind, in Erfahrung bringen können
und müssen.
Wer wie die Beklagten einen Mitmenschen wie den Kläger bloßstellen
und verleum-den will, den trifft sogar eine gesteigerte Recherchepflicht.
Hierüber haben sich die Beklagten bewusst hinweggesetzt.
Es ging den Beklagten nur darum, des eigenen finanziellen Vorteils wegen
den "Fall" des Klägers dem Thema des Romans anzupassen. An
der Aufklärung der histori-schen Wahrheit waren die Beklagten nicht
interessiert.
Es ist geradezu als skandalös zu bezeichnen, dass die Beklagten den
Kläger, ein beklagenswertes Opfer des Nazi-Terrors, erneut zum Opfer
ihrer eigenen finanziellen Interessen gemacht haben. Der auf Seite 93 des
Romans angesprochene "Opfer-tausch" fällt auf die Beklagten
zurück.
Wenn die Beklagten an einer wahren und fairen Aufklärung des Verfolgungsschick-sals
des Klägers interessiert gewesen wären, hätte es doch nahe
gelegen, sich mit den Tätern und nicht mit den Opfern zu befassen.
Die so genannte Transportliste ist doch nicht von den politischen Mithäftlingen,
insbesondere nicht von Willi Bleicher und Robert Siewert aufgestellt und
geändert worden, sondern von den SS-Schergen, welche allein die Macht
und Willkür hierzu besessen haben.
6.
Weil die Beklagten die ihnen obliegenden journalistischen Sorgfaltspflichten
schuld-haft verletzt haben, können sie sich nicht unter dem Gesichtspunkt
der Meinungsfrei-heit oder der künstlerischen Freiheit rechtfertigen.
Sie haben vielmehr diese Freiheit missbraucht und bewusst den Kläger
herabgesetzt und diffamiert.
Dieses Ziel haben die Beklagten erreicht, wie die bereits vorgelegten Zitate
aus den Rezensionen beweisen.
In diesem Zusammenhang ist erneut die Rezension aus dem "SPIEGEL"
hervorzu-heben, in welcher das Personal des Romans, also auch der Kläger,
den "Lurchen und Kriechtieren" gleichgestellt wird.
Wenn es in dem Roman heißt, die Kommunisten hätten dem Kläger
"seine wahre Geschichte gestohlen", so mag dies zutreffen. Letztlich
fällt dieser Satz auf die Be-klagten zurück:
Genauso wie die Kommunisten hat auch der Beklagte zu 1) die Geschichte des
Klä-gers "gestohlen". Er hat sich nicht nur in rechtswidriger
Weise den Bericht des Dr. Zacharias Zweig ohne Fundstellenangabe angeeignet,
sondern aus diesem Bericht auch noch durch die Veröffentlichung als
Roman Kapital geschlagen.
7.
Die Höhe des Schmerzensgeldes wird mit mindestens ----,-EUR beziffert.
Im übrigen wird die Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt.
Bei der Schmerzensgeldbemessung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten
durch den Roman "Anders" einen Juden beleidigt haben, der als
vierjähriges Kind schlimmste nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen
durchlitten hat, die ihn krank gemacht haben und an deren Folgen er heute
noch leidet. Ohne vorherige An-hörung wird ihm der ebenso ungeheuerliche
wie unberechtigte Vorwurf gemacht, er lasse sein wahres Verfolgungsschicksal
nicht gelten und gehöre zu den im Roman geschilderten Menschen, die
sich anders darstellen und hinter Masken leben. Für die falsche Darstellung
anderer wird er selbst an den Pranger gestellt. Ein unschuldiges Naziopfer
wird mit widerlichen Nazi-Tätern gleichgestellt.
VI .
Der Kläger hat die Beklagten mit Schreiben vom unter Fristsetzung bis
zum 30.10.2005 aufgefordert, die in den Klageanträgen genannten Ansprüche
zu erfüllen. Die Beklagten haben dies abgelehnt.
4 Abschriften anbei
H. H. Hieronimi